Oft frage ich Patienten: „ Können Sie Radfahren?“ Die meisten schauen mich erstaunt an und geben zu verstehen, dass sie natürlich Radfahren können und ihnen diese Frage etwas seltsam vorkommt. Ich frage dann nach: „Könne Sie auch richtig Radfahren?“. Das Erstaunen wächst und auch die Irritation. Natürlich ist diese Verunsicherung Absicht um die Patienten zu sensibilisieren für eine vermeintlich alltägliche Tätigkeit über die nicht weiter nachgedacht wird.
Radfahren ist, abhängig davon wie es betrieben wird sehr günstig oder auch sehr ungünstig für den Bewegungsapparat, insbesondere für die Kniegelenke.
Der Knorpel, also der glatte und federnde Überzug der Knochen, die über das Gelenk verbunden sind, ist bis zu 6 mm dick und hat keine eigene Blutversorgung. Er ernährt sich aus der Gelenkflüssigkeit die durch Belastung des Gelenkes in den Knorpel gepresst wird und bei Entlastung wieder herausströmen kann. Sie können sich das vorstellen wie einen Schwamm in einem Wassereimer, aus dem Sie durch wiederholtes Drücken Schmutzwasser auspressen und frisches Wasser aufsaugen.
Der Knorpel benötigt also einen häufigen Wechsel von – nach Möglichkeit nicht zu hoher – Belastung und Entlastung. Dafür ist – ich spreche vor allem vom Kniegelenk – Radfahren ideal.
Treten Sie nun die Pedale nach unten, kommt es aber vor allem hinter der Kniescheibe zu zu hohen Drücken und Sie können beim Hochnehmen des Kniegelenkes in der Gegenbewegung den Druck unter der Kniescheibe nicht so weit reduzieren, dass der Knorpel frische Gelenkflüssigkeit saugen kann. Sie würden den Kontakt zum Pedal verlieren.
Zudem haben wir alle, die wir uns nicht mehr kletternd im Dschungel, sondern gehend auf hartem Boden bewegen eine relativ zu schwache Muskulatur auf der Oberschenkelrückseite. Diese Muskulatur ist aber wichtig um das Knie zu stabilisieren. Im Gegensatz zur Oberschenkelvorderseite, wo über die Kniescheibe eine sehr kräftige Sehne, aber eben nur eine, verläuft, haben Sie auf der Rückseite des Oberschenkels eine äußere und eine innere Muskelgruppe jeweils an den Rändern der Kniekehle. Das bedeutet, dass die Steuerung des Unterschenkels viel besser über die Muskulatur an der Oberschenkelrückseite erfolgen kann als durch die Muskulatur an der Oberschenkelvorderseite.
Aus diesen Vorgaben ergibt sich das „richtige“ Radfahren.
Richtige Rahmenform und -größe und richtige Einstellung von Sattel und Lenker sollten selbstverständlich sein. Fragen Sie Ihren Fahrradhändler und lassen Sie Ihr Rad einstellen. Klickpedale und entsprechende Radlschuhe sind unumgänglich. Klickpedale können auf jedes Fahrrad und jeden Heimtrainer montiert werden. Es gibt auch einseitige Klickpedale d.h. Sie können die Unterseite des Pedales nach oben drehen und haben dann ein „normales“ Pedal, für den Fall, dass Sie für die 400 Meter zum Bäcker nicht Ihre Radlschuhe anlegen wollen.
Mit Klickpedalen fahren sollte man üben. Man klickt erst aus und bremst dann. Ich habe das auch schon in umgekehrter Reihenfolge gemacht und bin dann samt Rad umgekippt. Seither mache ich das nicht mehr. Nach 10 Minuten Üben auf einem Großparkplatz oder ähnlichem hat man das drauf, und vergisst es auch nicht mehr. Sehr vorsichtige Menschen können ihr Trainingsprogramm ja auf dem Heimtrainer oder – mit Ihrem vorhandenem Fahrrad – auf der Walze im Keller oder im Wohnzimmer absolvieren.
Je höher die Trittfrequenz um so häufiger kann der Knorpel „atmen“ bzw. frische Gelenkflüssigkeit saugen. Um so höher ist auch der Schulungs Effekt für die Koordination zwischen Oberschenkel und Unterschenkel.
Wichtig ist dazu, dass Sie Ziehen, also das Pedal bewusst von unten nach oben bewegen und sich auf diesen Teil der Bewegung konzentrieren. Am Anfang ist das gar nicht so einfach und Sie fallen schnell wieder in gewohnte Muster zurück.
Wie lange sollten Sie fahren?
Ab 5 Minuten Fahrdauer ist ein Trainingseffekt nachweisbar.
Wie oft sollten Sie fahren?
Jedenfalls in möglichst regelmäßigen Abständen, also nicht eine Woche fünf Mal und dann eine Woche gar nicht. Ideal ist einmal tägliches Training, und seien es nur 5 Minuten. Die Regelmäßigkeit ist viel wichtiger als die Dauer der Übungseinheit.
Ihr Knorpel möchte sich auf eine bestimmte Ernährungsweise einstellen können und reguliert dann seinen Stoffwechsel danach. Je besser Sie Ihren Knorpel versorgen, um so mehr kann er für Sie leisten. Er wird glatter und elastischer.
Krankheitsbilder bei denen ich richtiges Radfahren besonders empfehle
- Chondropathia patellae
- Knorpelschaden
- Meniskusschaden
- Z.n. Meniskusresektion
- Gonarthrose (Arthrose des Kniegelenkes, Verschleißerkrankung des Kniegelenkes)
- Ansatztendinose der Patellarsehne
- Ansatztendinose der Quadrizepssehne
- Kreuzbandruptur VKB Ruptur ( Kreuzbandriß)
- Patellafehlgleiten
Dieser Eintrag kann natürlich nur einen allgemeinen groben Überblick geben. Hinsichtlich Details zu Ihrem persönlichen Fall sprechen Sie mich bitte an.
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