Rheumatherapie

Unter Rheuma werden eine Reihe von Erkrankungen subsumiert, die in der Regel den Bewegungsapparat vorrangig oder zumindest teilweise betreffen und die auf einer Fehlleistung des Immunsystems also der Körperabwehr beruhen und als Autoimmunerkrankung verstanden werden.

Unser Immunsystem ist ein hochkomplexes Gebilde, welches permanent entscheiden muss ob eine bestimmte Substanz oder ein Bakterium oder ein Virus mit dem der Körper in Kontakt gekommen ist Probleme für den Körper bereiten könnte. Abhängig von der getroffenen Entscheidung leitet das Immunsystem entsprechende Abwehrstrategien ein. 

Durch die Unzahl an möglichen Kontakten kann das Immunsystem nicht permanent spezialisierte Zellen in ausreichender Zahl vorhalten, sondern es werden im Laufe des Lebens permanent Informationen bezüglich bestimmter Eiweiße und Mikroorganismen gesammelt und gespeichert. Unser Immunsystem ist also ein lernendes System, welches zwar nicht permanent die notwendige Hardware für eine differenzierte Verteidigung gegen Krankheitserreger oder Allergene bereithält, aber im Zweifelsfall auf Informationen für die Ausbildung von spezialisierten Zellen gespeichert hat. Binnen kurzer Zeit können also zunächst undifferenzierte Zellen zu Spezialisten „umgebaut“ werden. 

Das Problem für das Immunsystem ist also nicht – oder nur selten – das notwendige Zerstörungspotenzial zur Verfügung zu halten, sondern das Problem ist die Differenzierung zwischen körpereigenen bzw. der Gesundheit zuträglichen Substanzen und körperfremden bzw. der Gesundheit abträglichen Substanzen. Die Komplexität dieser Thematik beinhaltet naturgemäß eine bestimmte Fehlerquote. Jedes Immunsystem macht Fehler. Jedes Immunsystem hat auch ein Rückkopplungssystem, welches in der Regel die Zahl der Fehler und die Auswirkung der Fehler soweit korrigieren kann, dass wir gesund und leistungsfähig bleiben.

Kommt dieses System aus dem Tritt und nachhaltig zu der irrigen Meinung, dass bestimmte körpereigene Substanzen körperfremd sind, geht das Immunsystem gegen diese körpereigenen Substanzen vor. Es kommt zu einer Autoimmunerkrankung, die gekennzeichnet ist durch eine übermäßige Entzündungsaktivität im Körper.

Vielleicht sollte hier eingeschoben werden, dass unsere Körperabwehr über etwa 200 verschiedene Zelltypen verfügt, die über einige 10.000 verschiedene Botenstoffe miteinander kommunizieren. Wichtig für das Verständnis von Rheuma und Rheumatherapie ist, dass es keinen „Schaltplan“ für dieses Immunsystem gibt, weder einen generellen für alle Menschen gültigen, noch einen individuellen für den einzelnen Menschen gültigen. Dies wird zumindest für viele Jahre noch so bleiben. Der Grund dafür ist die Individualität des Menschen. Wir unterscheiden uns voneinander unter anderem auch dadurch, dass unser Immunsystem individuell ist. 

Ich möchte es Ihnen an dieser Stelle ersparen in die Details des angeborenen und des erworbenen Immunsystems einzusteigen. Im Zweifelsfall müssten hier immunologische Lehrbücher gewälzt werden. Dies kann nicht Aufgabe einer Patienteninformation sein. Mir geht es vor allen Dingen um einige grundlegende Fakten, um die wir als Behandler und Sie als Patient oder Patientin nicht herumkommen. 

Aus dem oben Gesagten ergeben sich Schwierigkeiten für die Rheumatherapie. Wir (gemeint sind hier die rheumatologisch qualifizierten Ärzte) können zwar die Symptome der Patienten nach bestimmten Kriterien gruppieren, und haben auch Erfahrungswerte für die Behandlung von Patienten mit solchen Symptomen, aber anders als ein Brückenbauingenieur haben wir keine zuverlässigen Berechnungsgrundlagen für das Immunsystem des individuellen Patienten.

Das heißt, eine Rheumatherapie ist immer eine mehr oder weniger probatorische Behandlung, und wir können allenfalls aufgrund der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und der persönlichen Erfahrung eine Entscheidung fällen welcher Behandlungsschritt in der jetzigen Situation am ehesten erfolgversprechend ist. 

Nachdem also einerseits das Immunsystem des Patienten oder der Patientin ein lernendes und damit sich ständig veränderndes System ist und andererseits ich als Behandler nur auf bei anderen Patienten gewonnene Erfahrungswerte zurückgreifen kann, erfordert die Rheumatherapie häufig Geduld von beiden Seiten.

Natürlich gibt es eine Unmenge von wissenschaftlichen Studien, aber diese wissenschaftlichen Studien sind eben keine beliebig wiederholbaren naturwissenschaftlichen Experimente mit exakt beschreibbaren Ausgangsbedingungen, sondern auch nur eine Form der Sammlung von Erfahrungen mit individuellen Patienten. Es gibt – und wird es hoffentlich auch nie geben – keinen beliebig oft vervielfältigbaren Normmenschen und damit ist die Aussagekraft wissenschaftlicher Studien für den individuellen Patienten in seiner individuellen Situation begrenzt.

Auch hier möchte ich nicht weiter ins Detail gehen lediglich die Wirkungsweise von häufig verwendeten Substanzen kurz und knapp darstellen:

Methotrexat ist vermutlich nach wie vor das am häufigsten in der Rheumatologie verwendete Präparat. Die Substanz ist ähnlich gebaut wie die Folsäure (Vitamin-B 9)  und kann an Enzyme, welche im Körper Folsäure verarbeiten andocken. Die Enzyme können aber das Methotrexat, welches eben nur so ähnlich ist wie die Folsäure, nicht weiter verarbeiten. Damit kommen bestimmte Stoffwechselprozesse in allen Körperzellen in Schwierigkeiten. Gesunde Zellen können mit diesen Schwierigkeiten besser umgehen als „Rheumazellen“. Durch wiederholte Anwendung von Methotrexat kommt es zu einer Reduktion der „Rheumazellen“. Durch die Gabe von Folsäure 24 Stunden nach der Methotrexatgabe können sich die gesunden Zellen rascher wieder von dem Folsäuremangel erholen.

Biologica (Humira, Imraldi, Cosentyx, Kevzara, RoActemra, ……)

Unter diesem Oberbegriff sind eine Reihe von Substanzen zusammengefasst. In der großen Mehrzahl handelt es sich hier um künstlich von entsprechend veränderten Bakterien hergestellte Antikörper gegen bestimmte Botenstoffe bzw. die Rezeptoren für diese Botenstoffe innerhalb des Immunsystemes. Diese Antikörper bestehen aus Eiweiß. Deshalb müssen die Substanzen in der Regel gekühlt aufbewahrt werden. Durch die Verbindung zwischen Antikörper und Botenstoff bzw. Rezeptor entsteht eine unwirksame aber harmlose Eiweißverbindung, die vom Körper abgebaut wird. Pro Verabreichung einer Antikörperdosis wird eine bestimmte Menge des bestimmten Botenstoffes aus dem Informationskreislauf herausgenommen und dadurch grundsätzlich die Entzündungsbereitschaft des Körpers reduziert.

Januskinasehemmer ( Rinvoq, Jyseleca,…….)

Die Januskinase ist ein Enzym, welches sehr früh in der Produktion von entzündungsfördernden Eiweißen notwendig ist. Durch die Hemmung dieses Enzyms wird die Produktion von Vorstufen von entzündungshemmenden Eiweißen gebremst.

Nebenwirkungen bzw. unerwünschte Wirkungen

Jede wirksame Therapie hat auch das Risiko von unerwünschten Wirkungen. Diese können bei den oben angegebenen Substanzen durchaus erheblich sein, deshalb sind insbesondere bei Therapiebeginn engmaschige Kontrolluntersuchungen notwendig, die mit Ihnen im konkreten Fall natürlich besprochen werden.

Nachdem mit allen angesprochenen Therapien in das Immunsystem eingegriffen wird, hat es sich bewährt das Immunsystem gleichzeitig auch zu trainieren, das heißt gegen bestimmte Krankheiten zu impfen. Die Impfempfehlungen für Patienten mit Rheuma unterscheiden sich von den Impfempfehlungen für Menschen, die nicht an einer rheumatischen Erkrankung leiden. Auch dieses Thema wird gegebenenfalls individuell mit Ihnen besprochen werden.

Naturheilkundliche Behandlungen:

Um es vorweg klar zu sagen: Rheumatische Erkrankungen im oben erwähnten Sinn sind ernsthafte Fehlentwicklungen im Immunsystem. In aller Regel wird eine ausschließlich naturheilkundliche Behandlung nicht verantwortbar sein. Nichtsdestotrotz kann das Immunsystem durch die Gabe von Mikronährstoffen und durch natürliche Stimulanzien positiv beeinflusst werden. Sie könne mich gerne darauf ansprechen.